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Die Lehren aus der CS-Krise – PUK stellt Handlungsbedarf fest Freitag, 20. Dezember 2024 - 10:42

Freitag, 20. Dezember 2024 10h30

Medienmitteilung

Die Lehren aus der CS-Krise – PUK stellt Handlungsbedarf fest

Die PUK beurteilt das jahrelange Missmanagement der CS als ursächlich für die Krise. Kritisch sieht sie die von der FINMA gewährten Eigenmittelerleichterungen und bedauert auch die teilweise fehlende Wirksamkeit ihrer Aufsichtstätigkeit. Zudem kritisiert die Kommission die zögerliche Weiterentwicklung der TBTF-Gesetzgebung und den teilweise ungenügenden Informationsfluss zwischen den Behörden. Die PUK erkennt aber kein kausales Fehlverhalten der Behörden für die CS-Krise und stellt fest, dass diese im März 2023 eine globale Finanzkrise verhindert haben. Die PUK fordert dennoch Verbesserungen, namentlich eine international ausgerichtete TBTF-Regulierung, wirksamere Bestimmungen für systemrelevante Banken und klarere Regelungen für die Zusammenarbeit der Behörden, die in der Schweiz die Finanzstabilität verantworten.

Die am 8. Juni 2023 eingesetzte Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) hatte den Auftrag, die Geschäftsführung der Behörden im Kontext der Credit Suisse (CS)-Notfusion zu untersuchen. Die CS war soweit Bestandteil der Untersuchung, wie es notwendig war, um die Behördentätigkeit zu beurteilen. Die Verantwortung für den Vertrauensverlust in die CS und deren Schieflage, die im März 2023 existenzbedrohend wurde, liegt bei deren Verwaltungsrat und Geschäftsleitung der letzten Jahre. Diese zeigten sich renitent gegenüber zahlreichen Interventionen der FINMA. Seitens Behörden konnte die PUK in ihrem Abschlussbericht kein kausales Fehlverhalten feststellen.

An ihrer letzten Sitzung vom 17. Dezember 2024 hat die PUK ihren Bericht einstimmig verabschiedet. Gleichzeitig mit ihrem Bericht publiziert sie heute die neun Expertinnen- und Expertenberichte, die sie in Auftrag gegeben hat.

Im Zentrum der Untersuchungen der PUK standen der Gesamtbundesrat und die Parteien des Memorandum of Understanding (MoU) für Finanzstabilität: das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) mit den zuständigen Fachämtern, die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) und die Schweizerische Nationalbank (SNB), sowie zusätzlich die Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde (RAB). Die PUK setzte ihre Untersuchung im Jahr 2015 an. Sie unterschied vier Phasen: die erste von 2015 bis Sommer 2022, die zweite von Herbst 2022 bis Mitte März 2023, Phase drei umfasste die Akutkrise vom 15. bis 19. März und die vierte Phase die Umsetzung der Fusion. Die PUK konzentrierte sich insbesondere auf die ersten drei Phasen.

Vorkrisenphase: Fehlender PLB und zu grosse Eigenmittelerleichterungen

In der Vorkrisenphase interessierte sich die PUK insbesondere für die Weiterentwicklung der Too-Big-To-Fail-Regulierung (TBTF). Sie stellte fest, dass der Bundesrat und das Parlament insbesondere ab 2015 den Anliegen der systemrelevanten Bankinstitute bei der Umsetzung der internationalen Standards (Basel III, Prinzipien des BCBS und des FSB) eine zu grosse Bedeutung einräumten. So gewährte der Bundesrat diesen verschiedentlich verlängerte Übergangsfristen bei gesetzlichen Weiterentwicklungen, oder schlug die Übernahme internationaler Standards verzögert vor. Nach Einschätzung der PUK war der Bundesrat insbesondere bei der Einführung eines Public Liquidity Backstop (PLB) zu zögerlich.

Ein Hauptaugenmerk richtete die PUK auch auf die Geschäftsführung der FINMA. Die PUK ist der Auffassung, dass die Behörde ihre Aufsichtstätigkeit zwar intensiv ausübte, diese aber nur eine eingeschränkte Wirkung zeigte: So reihte die CS trotz zahlreichen Enforcementverfahren und entsprechenden Warnungen der FINMA Skandal an Skandal. Die PUK bedauert, dass die FINMA in dieser Zeit keinen Gewährsentzug ausgesprochen hat.

Nicht nachvollziehbar war für die PUK, dass die FINMA der CS 2017 umfassende Eigenmittelerleichterungen in Form eines regulatorischen Filters gewährte. Mit diesem konnte die Bank den Übergang der Rechnungslegungsvorschriften von Sammel- zu Einzelbewertung ohne sofortigen substanzielle Kapitalaufbau bewältigen. Auch wenn der Filter rechtmässig war, stellt die PUK dessen Zweckmässigkeit grundsätzlich infrage. Er wirkte deutlich stärker als erwartet, ohne ihn hätte die CS die regulatorischen Eigenmittelvorschriften bereits 2021 leicht und 2022 deutlich nicht mehr erfüllt. Aus Sicht der PUK besteht dringender Handlungsbedarf hinsichtlich der Gewährung von Erleichterungen an systemrelevante Banken.

Eingeschränkter Handlungsspielraum im Herbst 2022

Die verschiedenen Indikatoren zur wirtschaftlichen Lage der CS verschlechterten sich im Laufe des Jahres 2022 deutlich. Anfang Oktober und Ende Dezember verzeichnete die CS massive Liquiditätsabflüsse und stand kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Die Behörden aktivierten ihre Koordinationsgremien für den Krisenfall ab August und wechselten im Oktober in den Krisenmodus.

Die von Beginn weg erarbeiteten Krisenausstiegsszenarien umfassten sowohl die vom TBTF-Regime vorgesehenen Optionen (Abwicklung; ELA), wie auch neue Massnahmen (TPO; ELA+; Übernahme). In der Einschätzung der PUK wurden die wichtigsten möglichen Szenarien analysiert. Die PUK bemängelt jedoch, dass in dieser Phase nicht alle involvierten Behörden auf dem gleichen Wissensstand waren, was ein früheres dezidiertes Eingreifen möglicherweise erschwert hat. Insbesondere die Information des Bundesrates im Herbst 2022 liess zu wünschen übrig. Auch die informellen Meetings, die im Herbst vom ehemaligen Finanzminister und vom SNB-Präsidenten initiiert wurden, sieht die Kommission bedingt zweckmässig, da sie zu wenig mit den regulären Krisenstrukturen koordiniert waren. Mit einem bereits gesetzlich verankerten PLB hätten die Behörden zudem schon im Herbst ohne Notrecht vertrauensbildend eingreifen können. Zusätzlich war der Handlungsspielraum aufgrund des 2017 gewährten regulatorischen Filters eingeschränkt.

Intensive Lösungssuche unter erschwerten Bedingungen im März 2023

Die Bundesbehörden wurden Mitte März 2023 von der Regionalbankenkrise in den USA und den unmittelbaren Auswirkungen auf die CS überrascht. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie ihre Abklärungen zu den verschiedenen Szenarien noch nicht abgeschlossen. Aufgrund ihrer umfangreichen Vorarbeiten seit Herbst 2022 waren sie dennoch in der Lage, die CS ab Ausbruch der Akutkrise vom Mittwoch, 15. März 2023 bis zum Wochenende zahlungsfähig zu halten und so eine internationale Finanzkrise abzuwenden. Eine Fusion mit der UBS war spätestens ab Beginn der Akutkrise die präferierte Variante aller involvierten Behörden.

Angesichts des ungewissen Ausgangs der harzigen Verhandlungen zwischen der UBS und der CS verfolgten die Behörden in den Märztagen parallel verschiedene Optionen weiter, konkret die Sanierung, eine kurzfristige staatliche Übernahme wie auch eine Zwangsfusion als ultima ratio. Es bleibt unklar, welche Lösung beim Scheitern der Notfusion zum Zuge gekommen wäre.

Während der Lösungssuche achteten die Behörden auf einen gewissen Interessenausgleich zwischen der CS und der UBS sowie auf die finanziellen Auswirkungen auf den Bund. Die Anwendung von Notrecht erfolgte rechtmässig. Angesichts der Akutsituation ist für die PUK nachvollziehbar, dass eine alternative Lösung mit einer ausländischen Bank zu diesem Zeitpunkt nicht mehr umsetzbar war, auch wenn diese längerfristig für die Wettbewerbssituation in der Schweiz vorteilhafter gewesen wäre. Zudem ist die PUK der Auffassung, dass die gewählte Lösung einzelne Schwachstellen der bestehenden TBTF-Regulierung deutlich offengelegt hat.

TBTF-Regulierung hält einer Vertrauenskrise nicht stand und weitere Erkenntnisse

Die PUK anerkennt die Leistung der Behörden im März 2023, die eine globale Finanzkrise verhindert haben. Aus ihrer Sicht sind aber zwingend die Lehren aus der Bewältigung der CS-Krise zu ziehen, zumal der Staat bereits zum zweiten Mal die Abwicklung einer systemrelevanten Bank verhindern musste und die Schweiz nun nur noch über eine global systemrelevante Bank (G-SIB) verfügt.

Die PUK sieht Verbesserungsbedarf auf der Vollzugs- und der Gesetzesebene. Sie richtet in ihrem Bericht zwanzig Empfehlungen an den Bundesrat und reicht sechs Postulate, vier Motionen sowie eine parlamentarische Initiative ein. Die Kommission ist zum Schluss gelangt, dass die TBTF-Gesetzgebung, insbesondere in der Notfallplanung, zu sehr auf die Schweiz fokussiert und die Abwicklungsplanung einer aus der Schweiz international tätigen G-SIB zwingend internationale Verflechtungen mitberücksichtigen muss. Zudem ist die TBTF-Regulierung nicht für eine Vertrauenskrise konzipiert und vernachlässigt wichtige Marktindikatoren. Auch sollen Erleichterungen bezogen auf die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen in Zukunft beschränkt werden. Handlungsbedarf erkennt die PUK ebenfalls hinsichtlich der aktuellen Regelung der Revisionsaufsicht.

Nicht optimal funktioniert hat auch die Abstimmung zwischen den einzelnen Behörden und der Einbezug des Gesamtbundesrates, hier muss insbesondere der Informationsaustausch verbessert werden. Zu verbessern sind zudem das Risikomanagement und die Krisenfrüherkennung.

Die UBS als einzige verbleibende G-SIB in der Schweiz ist im Verhältnis zum nationalen Bruttoinlandprodukt (BIP) um ein Vielfaches grösser als andere Finanzinstitute im Verhältnis zum BIP des jeweiligen Landes. Die PUK hält es deshalb für unerlässlich, diesen Umstand in der Regulierung angemessen zu berücksichtigen.

Die PUK unter der Leitung von Kommissionspräsidentin Isabelle Chassot (Die Mitte, FR) hat in den letzten anderthalb Jahren während 45 Sitzungen 79 Anhörungen durchgeführt und über 30'000 Seiten analysiert. Darauf gestützt hat sie den vorliegenden Bericht zu Handen der eidgenössischen Räte erstellt. Die PUK hat im Sommer und im Herbst die betroffenen Behörden und Stellen sowie alle Bundesratsmitglieder zu verschiedenen Berichtsteilen konsultiert und am 16. Dezember 2024 eine Delegation des Gesamtbundesrats gemäss Artikel 167 Abs. 2 Parlamentsgesetz zum Entwurf ihres Gesamtberichtes angehört. Der Bundesrat hat nun bis zur nächsten Session Zeit, um seine Stellungnahme auf der Grundlage des Schlussberichts zu erstellen. Die Beratung des Berichtes ist in der Frühlingssession 2025 vorgesehen.